Geschrieben von Jens Appelbohm
In einer Ausschutzsitzung im Jahre 2004 wurde vom Vorsitzenden Ulrich Pohland die Frage in den Raum gestellt ob der Oldenburger Ruderverein das rudern auch Menschen mit Handicap anbieten wollte. Ich fand die Aufgabe interessante und erklärte mich bereit dieses in die Tat umzusetzen. Somit war dann 2004 die „Stelle“ des Handicapwartes im ORVO geschaffen.
Ich dachte mir dass es doch gar nicht so kompliziert sein sollte an diesen Personenkreis zu kommen. Ich setzte mich ans Telefon und sprach auch z.B. mit dem Blindenverband Oldenburg. Aber irgendwie war die Sache doch nicht so einfach.
2005 kam dann durch Zufall Frau Mai auf mich zu die gerade nach Oldenburg gezogen ist. Sie war von Geburt an Blind und hat schon in Hannover rudern gelernt und wollte dies auch bei uns weiterhin tun. Das war für mich dann auch der Anfang mit Handicaps zu rudern und vor allen auch zu lernen was die Unterschiede und Schwierigkeiten gegenüber allen anderen waren.
Schnell stellte ich fest das Blinde und Sehende im Boot nicht zu unterscheiden sind. Das rudern ist für die Blinden genauso einfach zu erlernen wie für jeden anderen auch. Jeder sitzt ja auf seinen Platz und kann sich ohne Gefahr sportlich betätigen. Da ja jeder das gleiche im Boot macht ist das eine Ideale Sportart. Diese muss natürlich auch erstmal erlernt werden.
Da Frau Mai ja schon rudern konnte war es für mich erstmal relativ einfach das Projekt in Angriff zu nehmen. Im Laufe des Jahres bekam Frau Mai noch ein Blindenführhund den ich natürlich nicht in der Bootshalle ohne Aufsicht lassen wollte da er ja ein wichtiges Hilfsmitte für frau Mai war. Also musste der Hund mit ins Boot was so eine kleine Herausforderung war. Aber es funktionierte und ab da hatten wir einen „Bootshund“ mit dabei.
Über einen Zeitungsartikel in der NWZ vom Rudern mit Handicap im Oldenburger Ruderverein wurde Ute Wild vom Mobilen Dienst Schwerpunkt Sehen auf unseren Sport aufmerksam. Sie ist für die Blinden und Sehbehinderten Schüler im Raum Weser Ems zuständig.
Sie interessierte sich für die Sportart rudern und fragte mich ob das auch was für ihre Schüler sei die sie betreut. Für mich war es auch wieder eine Herausforderung und wir verabredeten uns dann zum ersten Mal 2006 um uns an einem Wochenende im Juli zu treffen. Sie brachte einige Blinde und Sehbehinderte Jugendliche mit die noch nicht in einem Boot gesessen haben aber schon gespannt waren was auf sie zukommt.
Ich organisiert mir Helfer die sich auch mit Anfängerausbildung auskennen. Da ich ja auch Anfängerausbildung mache wusste ich ja wie man jemanden das rudern beibringt. Jetzt musste ich natürlich mehr erzählen da ich mit bloßen zeigen ja nicht weiter kam. Schnell lernten die Jugendlichen das rudern so dass wir dann auch im 4er eine etwas längere Strecke fahren konnten. Allen machte es viel Spaß und so wurde aus dem Schnuppertag ein ganzes Wochenende von Freitag bis Sonntag mit bis zu 20 Blinden und Sehbehinderten Jugendlichen. Einige von den Jugendlichen hat es so viel Spaß gemacht dass sie in den Verein eingetreten sind und immer noch Freude am Rudern habe. Da die Handicapgruppe jetzt immer größer wurde konnte ich einige Mitglieder gewinnen die mich bei der Ausbildung und beim allgemeinen Rudern unterstützen denn alleine geht das nicht mehr. 2014 mussten wir erstmals das Handicapwochenende leider aus Organisatorischen Gründen ausfallen lassen.
Im Jahr 2008 unternahmen wir unsere erste Wanderfahrt gemeinsam mit dem Ruderverein Zinfandel aus Hannover. Es ging nach Osterholz Schambeck. 2009 war die nächste Wanderfahrt in Groningen. Alle waren gespannt wie es ist außerhalb des bekannten Ruderrevieres und auch Bootshauses sich zu bewegen und andere Eindrücke mitzubekommen. Allen hat es riesig Spaß gemacht und waren dann doch so geschafft dass viele im Bus zurück schon schliefen.
2009 drehte dann der Oldenburger Sender O1 eine Reportage über das Handicaprudern am Oldenburger Ruderverein während eines Handicapwochenendes. Im gleichen Jahr wurde der neu aufgebaute Steg eingeweiht. Dieser wurde erweitert und verbreitert sowie mit strukturierten Elementen versehen damit sich die Blinden und Sehbehinderten Ruderer besser orientieren können.
2010 gelang es uns den Blindenverein Regionalverband Oldenburg einzuladen. Die Vorsitzende Frau Hirschberger nahm die Einladung gerne an und wir konnten unseren Sport nun persönlich am Verein vorstellen. Einige von den Teilnehmern nahmen die Gelegenheit war sich in ein Boot zu setzen und eine Runde mit Unterstützung von uns zu rudern.
Im selben Jahr gewannen wir mit unserem Projekt Rudern für Blinde und Sehbehinderte Jugendliche ausgehend von den Handicapwochenenden bei „Sterne des Sports“ welche von der Volks- und Raiffeisenbank ausgeschrieben wurde. Da unser Vorsitzender das Projekt so gut präsentiert hat konnten wir den Bronzenen und Silbernen Stern, jeweils den 1. Platz, gewinnen und wurden im Frühjahr 2011 zur Verleihung des Goldenen Sterns nach Berlin eingeladen. Das war für uns eine große Freude da wir den besten 24 Projekten in Deutschland waren. Da führen wir dann mit großen Aufgebot und Programm nach Berlin. Am Vortag zur gab es eine große Stadtrundfahrt und ein Besuch im Blindenmuseum und im Pergamonmuseum auf der Museumsinsel in Mitten von Berlin. Schick gemacht ging es dann an nächsten Tag zur Verleihung des Goldenen „Stern des Sports“ nahe des Brandenburger Tors. Wir wurden dann zwölfter und unser Vorsitzender Ulrich Pohland nahm die Urkunde vom damaligen Ministerpräsident Wulf entgegen. Am nächsten Tag ging es dann auch noch bei recht kalten Wetter auf Wasser und anschließend wieder nach Oldenburg zurück. Das war für uns alle wohl ein unvergessliches Wochenende.
Im selben Jahr fuhren wir zu unserer ersten Regatta nach Berlin. Unser Ziel war die Sommerregatta der Berliner Ruderjugend mit integrierter Handicap Regatta. Im Vorfeld mussten so einige Anmeldeunterlagen ausgefüllt werden damit wir dann auch nach den DRV Richtlinien starten konnten. Dank Monika Tampe die für die Handicaps im Land Berlin zuständig ist und Petra Rohrbach von den Wassersporthandicaps in Berlin Grünau gelang es uns gut zurecht zu finden und die ersten Rennen auf der ehemaligen Olympia Regattastrecke gut zu absolvieren. Da wir mit den einzigen Jugendlichen starten waren die Rennen doch leider gegen uns selber. Im Erwachsenen Bereich gab es aber genügend Konkurrenten. Das ganze Wochenende war spannend genug und allen hatten wieder viel Spaß so dass wir jetzt jedes Jahr dort hinfahren und uns an den Erfolgen messen können.
Auch im Jahr 2011 wurde das Bootshaus Blindengerecht ausgestattet. Von der Wegemarkierung in den Bootshallen bis hin zu einer Infotafel mit Grundriss in Blindenschrift und Pyramidenschrift für die sehenden ist das Bootshaus gut ausbestattet worden. Durch die Vorarbeit vom Vorsitzenden Ulrich Pohland und von Frau Hirschberger vom Blindenverein konnte die mit Hilfe von Sponsoren dies realisiert werden.
Beim Vereinswettbewerb des LSB konnten wir dann auch noch den 3. Platz erreichen und unser Projekt in Hannover vorstellen.
2012 ging es für Michel, Marco und Lennard zusammen mit mir und Claudia wieder mal nach Berlin. Dort nahmen wir am Trainingslager unserer Kinderabteilung teil. Natürlich ging es dann im Juni auch wieder nach Berlin zur Sommerregatta.
Das Handicapwochenende und auch die Regatta in Berlin standen dann 2013 auch wieder auf dem Plan. Mittlerweile wurden auch Boote für den Handicapbereich angeschafft die für die Blinden auf Grund der Konstruktion des Bootes vorteilhafter waren. Dort ist die Geräuschkulisse besser als in anderen Booten.
Eine neue Regatta haben wir 2014 mit den Jungs Marco, Nino Michel und Max (ausgeliehen der Ruderjugend) ausprobiert. Wir waren auf der Dove-Elbe Regatta in Hamburg Bergedorf. Die Jungs mit Steuermann Dietrich Oberschelp absolvierten die 13 km in 1:09. Fürs erste Mal eine sehr gute Zeit. Das Handicapwochenende fiel in diesen Jahr aus aber in Berlin waren wir wieder und haben doch wieder nicht die Berlin auf der Strecke schlagen können. Vielleicht im nächsten Jahr.
Ich war in diesem Jahr noch im Oktober in Mannheim um dort dem Ruderverein Tipps und Tricks sowie Hinweise zu geben was man machen kann und wie man das schafft Blinde und Sehbehindert ins Boot zu bekommen. Mir hat es Spaß gemacht mein Wissen an andere weiterzugeben und zu sehen was man an so einem Wochenende so alles schaffen kann.
Natürlich gehen wir regelmäßig aufs Wasser und auch im Winter trainieren wir im Ergo- und Kraftraum sonst wären die ruderischer Erfolge nicht zu machen. In den letzten Jahren kamen immer mehr andere Behinderungsarten wie geistige Behinderung bis hin zu Lehnschwächen oder auch Mehrfache Behinderung dazu. Das sind dann auch wieder neue Herausforderungen und wir können wieder dazulernen.
Das ist mal so ein kleiner Überblick von 10 Jahren Handicaparbeit im Oldenburger Ruderverein. Ohne die Unterstützung meiner Ruderkollegen Obi, Anke, Ute, Yvonne, den Eltern und noch vielen mehr wäre das alles nicht zu bewältigen. Einen großen Dank an alle auch an Fa. Weinke für die gute Verpflegung.
Auch der Verein steht hinter dem Projekt und Dank unserem Vorsitzenden Ulrich Pohland konnten wir uns das ein und andere Mal sehr gut in der Öffentlichkeit präsentieren. Einen großen Dank auch an den Blindenverein Oldenburg, Frau Hirschberger die uns ihre Unterstützung in den Unterschiedlichen Fällen immer gerne zusichert und natürlich allen Sponsoren und Unterstützer die uns auch finanziell unter die Arme gegriffen haben. Vielen Dank an alle für 10 Jahre Handicaprudern im Oldenburger Ruderverein
Ich bin seeeeeeeehr beeindruckt!
Wie schön, wenn man sich so für andere einsetzt und sooo viel möglich macht.