Der Baldeneysee in Essen ist der größte von sechs Ruhrstauseen und als Naherholungsgebiet gekennzeichnet. Am letzten Wochenende war am Baldeneysee allerdings nicht an Erholung zu denken, denn der Essener-Ruder-Regatta-Verein (ERRV) hat vom Deutschen Ruderverband den Zuschlag für die Deutschen Jugendmeisterschaften erhalten. Mit über 1300 gemeldeten Aktiven und einem aufwendig erarbeiteten und strikt verfolgtem Hygienekonzept wurden die Deutschen Jugendmeisterschaften zu einem vollen Erfolg für den deutschen Rudernachwuchs. Mit 30 Athleten ging der Regattaverband Ems-Jade-Weser an den Start und konnte einmal Gold, fünfmal Silber und zweimal Bronze aus dem Baldeneysee fischen. Landestrainer Matthias Helmkamp zeigte sich mit den Leistungen sichtlich zufrieden: „Nach anderthalb harten Jahren ohne offiziellen Wettkampf konnten die Jugendlichen zeigen, dass sich das harte Training ausgezahlt hat. Gerade durch die pandemiebedingten Einschränkungen im Mannschaftssport sind diese Ergebnisse grandios.“
Den Renntag eröffnete der gesteuerte U17-Riemenvierer mit der Athletenkombination Robin Fischer, Max Rode und Anna Stümpert in Renngemeinschaft mit Osterholz-Scharmbeck. Bootstrainer Steffen Icken, welcher selbst 2012 in dieser Bootsklasse auf dem Baldeneysee deutscher Meister wurde, schickte das junge Aufbauprojekt aufs Wasser mit den Worten: „Der Baldeneysee kennt keine Regeln, auf diesem See ist alles möglich.“ Und so brach die junge Nachwuchsmannschaft sämtliche Regeln und lieferte sich eines der spannendsten Rennen des Tages. Am Ende fehlten 38 Hundertstel auf eine wohl verdiente Bronzemedaille gegen die Kombination aus Minden. Dennoch legte die Kombination um Steuerfrau Stümpert mit erhobenen Kopf am Steg in dem Wissen, dass mit ihnen in Zukunft zu rechnen sein wird.
Im Folgenden konnten sich auch weitere U17-Athleten im A-Finale präsentieren. Die Vierermannschaft aus Leer mit Tomke van Lengen, Emma Brahms, Carlotta Meyer und Louisa Thomas erreichte für ihre erste Meisterschaftsteilnahme einen achtbaren 5. Platz. Das U17-Edelmetall sicherte sich der junge Simon Dickbertel aus Oldenburg. Im Leichtgewichts-Einer konnte sich Dickbertel ungefährdet im Vorlauf und Halbfinale durchsetzen, sodass er sich Kräfte für das A-Finale aufsparen konnte. Gerade im Leichtgewichtsbereich sind Kraftreserven und intelligente Renntaktiken von hoher Relevanz, da durch die Gewichtsobergrenze von 65kg sehr einheitliche physische Voraussetzungen gegeben sind. Mit Silber und nur einer Sekunde Rückstand auf Gold konnte Dickbertel sein ausgegebenes Ziel der A-Final-Teilnahme deutlich übertreffen. Bootstrainer Steffen Icken ist von seinem Schützling begeistert: „ Simon konnte durch die Pandemie und dem fehlenden Kaderstatus nicht regelmäßig am Verein trainieren und musste recht unspezifisch trainieren. Mit wenigen Einheiten konnten wir dieses fabelhafte Ergebnis einfahren – wir bleiben dran!“
Weitere Medaillen konnten die Athleten des U19-Bereichs errudern. Mit Eva Weitzel, Tom Thomas, Janne Rosendahl, Annelie Heitsch und Anna Oldewurtel gingen gleich sechs Topleute aus der Kleinbootrangliste, welche früher im Jahr stattfand, an den Start für den Regattaverband Ems-Jade-Weser. In Kombination mit Sportlerinnen aus Minden konnten Heitsch und Oldeuwrtel einen guten 5.Platz im A-Finale errudern, gleiches gilt für Thomas und Rosendahl, welche in Kombination mit Münster fuhren.
In einem packenden Rennen konnte Eva Weitzel sich die Silbermedaille im ungesteuerten Riemenvierer sichern. Mit Partnerinnen aus Meschede und Dortmund fing das Rennen allerdings alles andere als medaillenverdächtig an. Bereits in der Startphase blieb das Boot abrupt stehen, da der Riemen durch eine technische Unsauberkeit im Wasser hängenblieb. Dies irritierte die Crew um Schlagfrau Andra Aumann, welche gebürtig aus Emden stammt, nicht, sondern motivierte die Mannschaft zu einer Aufholjagd die an diesem Wochenende ihres gleichen suchte. Mit starken, präzisen und langen Schlägen ruderte sich die Crew um Weitzel Stück für Stück ins Feld zurück und in Richtung Medaillenränge. Am Ende fehlten knapp zwei Sekunden zur Goldmedaille, was in Anbetracht des Rennverlaufs mehr als beachtlich ist. Im Regionalgruppenachter konnte Weitzel dann die lang ersehnte Goldmedaille in Empfang nehmen. In der Kombination der stärksten Sportlerinnen aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen fuhr der Achter allen anderen Regionalgruppenachtern auf eine Bootslänge abstand davon. Durch die Vorleistungen der bisherigen Saison wurde die gesamte Mannschaft inklusive Eva Weitzel zur Mannschaftsbildung der U19-Nationalmannschaft eingeladen.
Wenn sich Erfahrung und physische Stärke erkennen lässt, dann ist man im U23-Bereich angekommen. In diesem Jahr war der rote Einteiler mit dem EWE-Logo besonders oft auf dem Podest vertreten. Mit den Athleten Leonard Brahms, Jakob Daum, Oldenburgs Sportlerin des Jahres 2019 Patricia Schwarzhuber und Elisa Patzelt gingen direkt vier Athleten auf die Jagd nach Edelmetall. Den Anfang machte Leonard Brahms mit seinem Zweierpartner Hanno Brach aus Gießen. Ziel der beiden Ausnahmeathleten war es den für die U23-WM nominierten Zweier aus Dresden zu schlagen, um zu zeigen, dass sie zur nationalen Spitze gehören. Mit einem fulminanten Endspurt auf den letzten 500 Metern schob sich das Duo bis auf wenige Meter an den führenden WM-Zweier heran, am Ende reichte es für eine sehr starke Silbermedaille. Leonard Brahms wird nach der Saison in die USA zum Studium gehen, wo er dem Rudersport verbunden bleibt. „Leonard stellt mit seiner physischen Leistungsfähigkeit die Ruderzukunft im Elitebereich dar, wir sind sehr froh, dass er sich jetzt in den USA noch weiterentwickeln kann und es im Sommer erneut mit der Nationalmannschaft versuchen möchte.“, so Stützpunkttrainer Helmkamp.
Was Brahms im offenen Gewichtsbereich erreicht, ist auch Ziel für Jakob Daum. Im Riemenvierer ohne Steuermann wurde der Anfang gemacht. Daum in Kombination mit Hameln und Münster starteten bereits auf der Ratzeburger Ruderregatta im Vierer und konnten sich in eine Favoritenposition um die Medaillen bringen. In einem engen Rennen gegen die WM-Mannschaft konnte sich eine grandiose Silbermedaille gesichert werden. Im Zweier ohne Steuermann des Leichtgewichtsbereichs wollten Daum und sein Münsteraner Partner Sebastian Merschel auch in die Medaillenränge fahren. Aufgrund des bereits kräftezehrenden Viererrennens wurde der Zweier zur wahren Kraftprobe. Am Ende reichte es für einen guten vierten Platz.
Auch die bereits international erfahrenen Athletinnen Patricia Schwarzhuber und Elisa Patzelt wollten mit ihren Partnerinnen aus Trier, Limburg und Osnabrück in das Geschehen um die Goldmedaille eingreifen. Im gesteuerten Riemenvierer verpasste das Oldenburger Duo zwei Wochen zuvor die WM-Qualifikation um 1,3 Sekunden, jetzt sollte sich das Blatt wenden. In einem starken Meldefeld konnten sich drei Boote rauskristallisieren. Die WM-Mannschaft, ein Vierer aus Essen und die Mannschaft um das Oldenburger Duo. Bis zur Ziellinie wurde hart gekämpft, alle drei Boote gingen fast zeitgleich auf die letzten 200 Metern des 2000 Meter langen Rennens. Am Ende konnte sich der für die Weltmeisterschaft nominierte Vierer mit 1,2 Sekunden durchsetzen.
Als der Baldeneysee bereits drei Tage Rennen hinter sich hatte hieß es vom Moderator: „Es ist Achterzeit auf dem Baldeneysee!“ In spannenden Rennen kam für Jakob Daum im leichten Achter die Bronzemedaille raus. Auch bei Schwarzhuber und Patzelt kam es zur Platzierung auf dem dritten Rang.
Stützpunkttrainer Helmkamp äußerte sich im Nachgang der Meisterschaften über das erfolgreiche Abschneiden seiner Schützlinge: „Mit einmal Gold, fünfmal Silber und zweimal Bronze konnten wir ein äußerst gutes Resultat erzielen. Wir sind gespannt was die internationalen Nominierungen noch bereithalten für den Regattaverband.“